Die antirassistischen Proteste der Black Lives Matter-Bewegung sowie die Reaktionen auf die rassistischen und antisemitischen Anschläge von Halle und Hanau, haben auch in der deutschsprachigen Philosophie eine Diskussion angestoßen.
Wie soll mit mit Rassismus, Antisemitismus und Sexismus in Werken der klassischen Deutschen Philosophie umgegangen werden? In vielen Werken der klassischen deutschen Philosophie finden sich Stellen, Passagen oder Abhandlungen, die – mindestens nach heutigen Maßstäben – als rassistisch, sexistisch oder antisemitisch beurteilt werden müssen. Sich mit diesem Erbe verantwortlich und differenziert auseinanderzusetzen, stellt gegenwärtig eine Herausforderung dar.
War Kant ein Rassist? Ist Hegels Denken judenfeindlich? Waren die deutschen Idealisten durchweg Sexisten?
Prof. Dr. Andrea Esser, Leiterin des Arbeitsbereichs für praktische Philosophie der Friedrich-Schiller-Universität Jena bezweifelt, ob diese Fragen tatsächlich geeignet sind, um sich des problematischen Erbes bewusst zu werden, das immer noch in unserer gesellschaftlichen und politischen Gegenwart wirksam ist. Vielmehr beschäftigt sie sich In ihrem aktuellen DFG-Forschungsprojekt mit dem problematischen Erbe der Philosophie sowohl hinsichtlich der Philosophiegeschichtsschreibung als auch unter der Perspektive seiner Wirkung auf die und in der Gegenwart.
Im Fokus des Projekts stehen dabei Immanuel Kant und Philosophen nach Kant, u.a. die Deutschen Idealisten J. G. Fichte, G. W. F. Hegel und F. W. J. Schelling. Wenngleich es bei allen Philosophen, die sie näher betrachten wollen, de facto einen Anfangsverdacht gibt, ist das Forschungsprojekt nicht als ein Gerichtsprozess konzipiert, da es nicht primär um die Personen geht, noch darum, Lese- oder Denkverbote auszusprechen.
Andrea Esser und ihr Team möchten die Verstrickungsgeschichte exemplarischer Texte in rassistische, sexistische und antisemitische Denkmuster rekonstruieren. Deshalb müsse die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Philosophie selbstverständlich auch eine kritische Beschäftigung mit den eigenen, heutigen Positionen einschließen. Denn dass rassistisches, antisemitisches und sexistisches Wissen bis in die Gegenwart präsent ist und es philosophische Debatten teils sogar reproduziert, wird trotz der aktuellen medialen Aufmerksamkeit des Themas immer noch bagatellisiert. Ziel ist es daher, solche Denk- und Sprachmuster sichtbar zu machen und zu zeigen, dass und wie sie immer noch wirken können.
In ihrem Vortrag gibt uns Frau Prof. Esser Einblick in den Forschungsstand des Projektes. Wir laden Sie herzlich ein, dabei zu sein. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Geb. 30.9.1963 in München,
Eine Kooperationsveranstaltung von LOGOI mit den Mutbürger*innen gegen Rechts.
Andrea Marlen Esser:
Studium der Philosophie, Psychologie und Politikwissenschaften an der LMU München,
1994: Promotion in Philosophie an der LMU München ›Kunst als Symbol‹ Wilhelm-Fink Verlag 1997
2002: Habilitation in Philosophie an der LMU München ›Eine Ethik für Endliche. Kants Tugendlehre in der Gegenwart‹, Frommann-Holzboog Verlag 2004
2004: Professorin für Kunsttheorie und Semiotik an der HFG Pforzheim
2004: Professorin für Philosophie an der RWTH Aachen
2006: Professorin für Praktische Philosophie an der Philipps-Universität Marburg
2015: Professorin für Praktische Philosophie an der Friedrich-Schiller Universität Jena
Herausgeberin von Kants ›Kritik der Urteilskraft‹ im Rahmen der Akademie Ausgabe
Mitherausgeberin der Deutschen Zeitschrift für Philosophie (DZPhil),
Seit 2011: Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Philosophie (DGPhil).
Seit 2015 ordentlicher Lehrstuhl für Praktische Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.